Vom Wesen der Prädikatisierung
In der Bundesrepublik Deutschland weist die Zuständigkeitsordnung des Grundgesetzes die staatliche Anerkennung, also die Verleihung des Prädikates eines Heilbades, eines Kurortes, eines Luftkurortes oder Erholungsortes den Bundesländern nach einem einzigartigen und abgestuften System zu. Das Prädikat als öffentlich und werblich sichtbarer Ausdruck dieser Anerkennung wird von ihnen der jeweiligen kommunalen Gebietskörperschaft, also der Stadt oder Gemeinde zuerkannt, die zumeist eine Kernstadt und verschiedene Ortsteile vertritt, in der/in denen sich erfolgreich um die gesundheitliche Qualität zugunsten des Bäderwesens und für die Gesundheitsgäste gekümmert wird. Das Prädikat bestätigt diese Qualität für die vorhandene/geschaffene Infrastruktur, die Luftqualität und das umgebende Bioklima und in den höheren Stufen auch für das eingesetzte Heilmittel und die mit ihm durchgeführte medizinische Behandlung und therapeutische Betreuung, z. B. bei von den Krankenkassen oder privat getragenen Kuren/Vorsorge-/Rehabilitationsmaßnahmen und Medical Wellness-Anwendungen.
In Nordrhein-Westfalen (NRW) sind nach dem Landeskurortegesetz von 2007 die Bezirksregierungen für die Prädikatisierung zuständig, die dabei vom Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales (MAGS) und dem Landesfachausschuss für Kurorteangelegenheiten – in dem u.a der Nordrhein-Westfälische Heilbäderverband (NRW HBV) als Fachverband mitarbeitet – unterstützt werden. Bei ihrer Arbeit wird auf die Begriffsbestimmungen des Deutschen Heilbäderverbandes und des Deutschen Tourismusverbandes zurückgegriffen, die auf Bundesebene „Leitplanken“ für deutschlandweit möglichst einheitliche Voraussetzungen zur Anerkennung von Heilbädern und Kurorten, Luftkurorten und Erholungsorten aufstellen. Diese „Leitplanken“ gehen von den genau definierten, sogenannten Art-Bezeichnungen aus, in denen die abgestuften Voraussetzungen und die wesentlichen Aspekte für das jeweilige Prädikat niedergelegt sind und die für die höheren Stufen der Anerkennung auch das namensgebende Heilmittel beinhalten und behandeln. Dabei lassen sich über sie und in der Umsetzung durch alle Ländergesetzlichkeiten zum Kurortewesen sogenannte niedrigere und höhere Prädikaten unterscheiden. Zu den niedrigeren Prädikaten zählen die Erholungsorte als Eingangsstufe im Bemühen um eine gesundheitliche Auszeichnung eines Ortes und die darauf aufbauenden Luftkurorte. In NRW ist es – zumeist bei Vorhandensein vor Ort vorkommender Heilmittel – auch möglich, bei Verleihung eines niedrigeren Prädikates ein sogenanntes örtliches Kurmittelgebiet anzusprechen. Hier ergibt sich eine begriffliche Beziehung zu den nun aufsteigend anzusprechenden, höheren Prädikaten – also den anerkannten Kurorten und Heilbädern. Bei ihnen treten in der Anerkennung die ortsgebundenen Heilmittel – also herausragende, bioklimatische und lufthygienische Voraussetzungen, Mineral-, Thermal- (= über 20° heiße) Quellen, Mooranwendungen und Anwendungen in anerkannten Heilstollen als ortsgebundene Heilmittel in den Vordergrund, bei Kneipp-Anwendungen deren Einsatz in ortstypischer Infrastruktur. Die Intensität und auch die Erfahrung bei den medizinischen Bemühungen um das örtliche Heilmittel und die darauf aufbauende Kurort-Medizin entscheiden letztlich darüber, ob die Kommune als Kurort oder in der letzten und höchsten Qualitätsstufe als Heilbad anerkannt wird.
Eine Kommune kann in ihrer Kernstadt und oder in ihren Ortsteilen mehrere, in der Art unterschiedliche Prädikate zugleich führen, also zum Beispiel neben der Anerkennung als Kneipp-Kurort für die Kernstadt in einem Ortsteil auch als Luftkurort prädikatisiert sein. Bezogen auf dieselbe Art-Bezeichnung kann jedoch jeweils nur eine Stufe erreicht und ausgedrückt werden, also beispielsweise für einen Ort/Ortsteil entweder der Status als Kneipp-Kurort oder als Kneipp-Heilbad.
Ist einer Kommune das staatliche Prädikat eines Heilbades zuerkannt worden, kann sie beim Innenministerium beantragen, den Titel „Bad“ zukünftig ihrem Namen voranstellen zu dürfen. Von dieser Möglichkeit haben nicht alle berechtigten Orte Gebrauch gemacht.
Die besondere Förderung eines Heilbades durch ein Bundesland als sogenanntes „Staatsbad“ gibt es in NRW nicht mehr. Die früher so unterstützten Heilbäder dürfen aber weiterhin den Namenszusatz „Staatsbad“ führen.
Im Übrigen wird durch die Bezirksregierungen zur Qualitätssicherung spätestens 10 Jahre nach der Prädikatisierung überprüft, ob die Voraussetzungen für diese Entscheidung noch gegeben sind oder ob im Einzelfall Nacharbeiten durch den Ort unabdingbar werden.
© Hans-Joachim Bädorf, Bad Münstereifel